Ein Ding der Unmöglichkeit? - Wie Konzerte für Menschen mit Demenz in die Tat umgesetzt werden

Ein Mut machendes Interview mit Jochen Schmauck-Langer von (de)mentia+art


Foto: Raimund Adamsky

TEIL 1: Die Logistik

“Meine Damen, meine Herren, für viele von Ihnen war das ein langer Weg! Sie sind hier zu Gast beim WDR am Wallrafplatz, gleich neben dem Kölner Dom. Mitglieder des WDR Sinfonieorchesters spielen heute für Sie.“ 

Es sind stets die gleichen Worte, mit denen sich Jochen Schmauck-Langer von (de)mentia+art an die Menschen im vollbesetzten Kleinen Sendesaal wendet. Doch was ist zu tun, bis es so weit ist? Sylvia Wackernagel, Social Media-Beauftragte von (de)mentia+art, fragte nach.




Wie viele Konzerte für Menschen mit Demenz bestreiten Sie jährlich?

Wir bieten vier bis sechs Konzerte an. Mittlerweile sind es weit über dreißig. In diesem Jahr haben wir mit einem Neujahrskonzert begonnen. Es folgen gewöhnlich Konzerte im Frühling und in der Vorweihnachtszeit. Dazwischen liegt noch der jährlich stattfindende Weltalzheimertag am 21. September, in dessen Kontext das Sinfonieorchester und (de)mentia+art ebenfalls ein Konzert anbieten.

Wo finden diese Konzerte statt?

In der Regel im kleinen Sendesaal des WDR – also dort, wo auch sonst kleinere Kammerkonzerte stattfinden. Aktiv daran beteiligt zu sein, diesen Ort zu einem öffentlich sichtbaren Zeichen einer möglichst gleichberechtigten Teilhabe zu machen, ist für uns sehr wichtig. Und wenn in einem weiteren Schritt Partizipation und Inklusion gelingen, umso besser.

Wie viele Betroffene können teilnehmen?

Etwa achtzig. Dazu kommen etwa fünfzig Begleitende: Dies können Angehörige, professionell oder ehrenamtlich Betreuende sein. Zumeist sind es Gruppen aus Pflegeeinrichtungen, Demenz-Cafés, Selbsthilfegruppen.

Wie lange können diese Konzerte dauern?

Die Konzerte beginnen um 15 Uhr und dauern etwa eine Stunde. Sie sind kostenlos. Das WDR Sinfonieorchester sieht dies als Teil seiner öffentlichen Verantwortung, vielen Menschen eine solche Teilhabe zu ermöglichen. (de)mentia+art steuert das Netzwerk, die externe Planung und die Moderation bei.

Der WDR ist in Köln. Kommen die Besucher:innen dann vor allem aus der näheren Umgebung?

Tatsächlich haben wir treue Konzertbesucher:innen aus Seniorenheimen, die nicht viel weiter als 500 Meter Luftlinie entfernt liegen. Dann werden vor einem Konzert nicht selten eine ganze Reihe von Rollstühlen durch die Kölner Fußgängerzone zum WDR geschoben. Doch die Hälfte unserer Besucher:innen reisen aus dem Umland an, 30 oder 50 km entfernt, aus Bonn, Wuppertal, Aachen, Düsseldorf... Sie kommen aus der Eifel ebenso wie aus dem Bergischen Land, um einen schönen Ausflug in die Domstadt und zum WDR Sinfonieorchester zu machen. Eine schöne Zeit erleben mit einem klassischen Konzert im Zentrum – das ist es, was wir erreichen möchten.

Wie fit müssen die Senior:innen noch sein, um daran teilnehmen zu können?

Das Durchschnittsalter der Menschen mit Demenz, die zu uns kommen, liegt bei über 80 Jahren. Viele sind in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt. Das ist zunächst für die Pflegeeinrichtungen eine große Herausforderung! Ich bewundere die Kolleginnen und Kollegen in Pflege und Betreuung, die nicht diese Anstrengungen scheuen. In der Folge müssen wir bis zu dreißig Rollstuhlplätze einplanen und mehr als zwanzig Rollatoren.

Können die Gruppen sich hinsetzen, wo sie wollen?

Stellen Sie sich weit über einhundert Personen vor, ausgerüstet mit besagten dreißig Rollstühlen und zwanzig Rollatoren, die alle die besten Plätze ergattern wollen... Nein. Die Platzvergabe wird aufwändig in einer farbig angelegten Excel-Tabelle geplant und festgelegt. Jede Gruppe wird einzeln zu ihren Plätzen geleitet. Menschen, die auf Rollstühle angewiesen sind, können bei ihrer Gruppe darin sitzen bleiben. Rollatoren hingegen werden aus feuerpolizeilichen Gründen aus dem Saal gebracht. Sie bekommen eine Garderobenmarke, damit es „um Himmels Willen“ (so eine Betreuerin) nicht zu Verwechslungen kommt. Das freundliche Saalpersonal des WDR ist dabei behilflich.

Wenn man in der eigenen Region gerne auch so etwas für Menschen mit Demenz anbieten möchte – mit wie viel Planungsaufwand müsste man rechnen?

Etwa zwei bis drei Monate vorher wären wohl das Minimum, um Öffentlichkeitsarbeit, Flyer, Website, Newsletter zu starten. Die letzten Wochen laufen dann intensiver ab, weil die Anmeldungen (Menschen mit und ohne Demenz, Rollstühle und Rollatoren, evtl. Parkmöglichkeiten für kleine Busse oder Autos) zu erfassen und die Moderation sowie die Mitsinglieder, die es stets am Ende gibt, auszuwählen und vorzubereiten sind.

 

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