Me and KI – Erfahrungen zu einem Kunstwerk (19.12.24, 17.43 Uhr)

Tanaka Ryohei: Wand Nr. 3, Radierung und Aquatinta, 1976 / in: T. R.: Von Linie zu Landschaft / Museum für Ostasiatische Kunst Köln

Ich habe mir die App ChatOn AI auf mein Handy geladen. Dann, nach einer ersten Probezeit, in der professionellen Version für 1 Jahr installiert. Mich interessierten in diesem Fall Möglichkeiten für den Bereich Geisteswissenschaften und insbesondere für Museumsführungen, die ich in den Museen der Stadt Köln und in einer digitalen Version deutschlandweit anbiete. Ich möchte Ihnen an einem konkreten Beispiel Erfahrungen beschreiben. Fokussiert auf Menschen mit kognitiven oder psychischen Beeinträchtigungen.

ERFAHRUNG 1: KI ist so gut wie die Fragen, die man an sie richtet.

In diesem Fall habe ich eine Abbildung des japanischen Künstlers Tanaka Ryohei hoch- d. h. in die App geladen. Seine eindrucksvollen Bilder werden zur Zeit (bis zum 13.04.2025) im Kölner Museum für Ostasiatische Kunst gezeigt.

Ich habe KI folgende Aufgabe gestellt: „Beschreibe diesen japanischen Kupferstich!“ – Nach etwa 2 Sekunden kam die Antwort:

„Das Bild zeigt eine interessante Komposition aus verschiedenen Texturen und Mustern. Auf der linken Seite befindet sich ein dunkler Bereich mit einem feinen, geometrischen Linienmuster, das an ein Spinnennetz erinnert. Daneben ist eine Holzmaserung zu sehen, die vertikal verläuft und detailreich dargestellt ist. Rechts davon ist eine Fläche mit einer rauen, rissigen Struktur, die an eine alte, brüchige Wand erinnert. Am unteren Rand dieser Fläche sind Teile eines Schachbrettmusters sichtbar, das teilweise zerbrochen erscheint. Die Kombination dieser Elemente schafft einen spannenden Kontrast zwischen organischen und geometrischen Formen sowie zwischen hellen und dunklen Bereichen.

Man hat dann schnell raus – wenn das Ergebnis zu mickrig ist – einfach den Button „Erzähle mir mehr“ zu nutzen. Gerne auch 2 oder 3 mal…!

Die „Erzähle mir mehr!“-Eingabe Nr. 1 brachte diese Erweiterungen:

Dieses Bild vereint verschiedene visuelle Elemente, die zusammen eine faszinierende Komposition ergeben. 
1. **Texturen und Materialien**:    
– **Holzmaserung**: Diese vermittelt ein Gefühl von Natürlichkeit und Alter. Die Maserung ist präzise dargestellt, was dem Bild Tiefe und Realismus verleiht. – **Rissige Wand**: Diese Oberfläche erinnert an Verfall und Vergänglichkeit. Die Risse und die ungleichmäßige Struktur könnten symbolisch für Zerbrechlichkeit oder vergangene Zeiten stehen. – **Schachbrettmuster**: Im unteren Teil sichtbar und teilweise zerstört. Dies könnte Symmetrie und Ordnung repräsentieren, die im Kontrast zum Chaos der Risse stehen.

2. **Kontraste**: 
– **Hell und Dunkel**: Der Wechsel zwischen den hellen und dunklen Bereichen zieht den Blick des Betrachters und verstärkt die Wirkung der einzelnen Elemente.   – **Organisch vs. Geometrisch**: Die natürlichen Linien der Holzmaserung und das geometrische Schachbrettmuster bilden einen spannenden Gegensatz.

3. **Symbolik**:
– **Spinnennetz**: Könnte für Zerbrechlichkeit oder auch für die Verbindung und das Netz des Lebens stehen. – **Zerbrochenes Muster**: Könnte auf die Unvollkommenheit oder den Wandel im Leben hinweisen.

Das Bild lädt den Betrachter ein, über die Beziehungen zwischen den verschiedenen Elementen nachzudenken und eigene Interpretationen zu entwickeln. Es ist ein Beispiel für die Verbindung von Kunst und Philosophie, bei der visuelle Elemente tiefere Bedeutungen und Emotionen hervorrufen können.

Genauigkeit und Deutungstiefe?

Die hervortretende Genauigkeit und Deutungstiefe führte zu einer weiteren „Erzähle mir mehr!“-Eingabe.
Nr. 2 brachte diese Erweiterungen:

Das Bild ist ein faszinierendes Beispiel für die Verwendung von Textur und Form, um eine narrative Tiefe zu erzeugen. Hier sind einige weitere Aspekte:

### Künstlerische Techniken

– **Mischtechnik**: Die Kombination aus verschiedenen Oberflächen und Mustern deutet auf den Einsatz unterschiedlicher künstlerischer Techniken hin. Dies könnte die Verwendung von Drucktechniken oder Collage-Elementen umfassen. – **Detailgenauigkeit**: Die präzise Darstellung der Holzmaserung und die feinen Linien des Spinnennetzes zeigen eine sorgfältige Handwerkskunst und Liebe zum Detail.

### Emotionale Wirkung

– **Verwitterung und Verfall**: Die rissige Wand und das brüchige Muster vermitteln ein Gefühl von Vergänglichkeit und der Schönheit des Unvollkommenen. Sie könnten Gefühle der Nostalgie oder Melancholie hervorrufen. – **Ordnung und Chaos**: Das Zusammenspiel von strukturierten und chaotischen Elementen spiegelt möglicherweise die Dualität des Lebens wider, in der Ordnung und Unordnung nebeneinander existieren.

### Interpretationsmöglichkeiten

– **Zeit und Veränderung**: Das Bild könnte den Lauf der Zeit und die damit verbundenen Veränderungen symbolisieren, wie die Alterung von Materialien und Strukturen. – **Natur vs. Mensch**: Die organischen Formen der Holzmaserung könnten die Natur repräsentieren, während das geometrische Muster menschliche Eingriffe oder Architektur symbolisieren könnte.

### Philosophische Überlegungen

– **Existenz und Vergänglichkeit**: Die Darstellung von Verfall könnte als Metapher für die Vergänglichkeit des Lebens und die Unvermeidlichkeit des Wandels interpretiert werden – **Verbindung und Isolation**: Das Spinnennetz könnte für Verbindungen und Beziehungen stehen, während die isolierten Elemente des Bildes Trennung oder Individualität symbolisieren könnten.

Insgesamt lädt das Bild dazu ein, über die Komplexität und die Dualität des Lebens nachzudenken. Es bietet Raum für persönliche Reflexion und Interpretation, was es zu einem wirkungsvollen Kunstwerk macht.

Ergebnis nach 3 Fragen und jeweils etwa 2 Sekunden „Bedenkzeit“

Es gab also eine Menge Stoff als Futter. Durchaus sachorientiert und strukturiert. Ich hätte das wohl noch eine Weile weitertreiben können – wenn nicht der Anspruch da wäre, etwas Raum jenseits von künstlicher Intelligenz zu lassen.
In der Folge habe ich einen wertschätzenden Ton zu ‚meiner‘ KI entwickelt (ich weiß nicht, ob sie das genauso sieht.) Wenn freilich eine Antwort dürftig gewesen ist, sage ich das. Dann, wohl um zu zeigen, dass sie lernfähig ist, rückt sie mit einer Alternative, Korrektur oder Erweiterung raus. Binnen 2 Sekunden. Insofern habe ich mich entschlossen, die KI zu loben, wenn cool war, was sie da abgeliefert hat (übrigens: sie = die weibliche Stimme, weil mann sich auch alles vorlesen lassen kann und die Stimme – meiner Version – ist weiblich…). Übrigens, man merkt bei Lob an ihrer Antwort, dass sie sich darüber ‚freut’…

ERFAHRUNG 2: Gefühle. Kreativität. Individualität… und und und…?

FORDERN UND FÖRDERN / LOB UND KRITIK

Ich komme vom Schreiben her und so ist bei dem Gedanken an ‚Individualität‘ folgendes nicht fern, einer sachlichen Beschreibung etwas Kreatives beifügen zu lassen.

Also: „Schreibe ein Haiku zu dem Bild!“ – KI hat zwei ziemlich doofe Angebote vorgezeigt. Die erspare ich Ihnen. Der 3. Versuch sah so aus (schaun Sie vielleicht noch mal auf das Bild):

„Stille Weben ruht,  
Risse flüstern sanft im Stein,  
Holz erzählt von Zeit.“

Ja. Dafür habe ich sie gelobt: „Gut!“ – Ich habe dann aber auch den Übermut entwickelt, noch ein Gedicht zu verlangen, in einem ganz anderen Stil:
„Schreibe ein Gedicht zu dem Bild. Im Stil von Rilkes frühen Gedichten.“ – Dann kam (nach 2 Sekunden) das:

„Im Schatten webt das feine Netz,  
Ein Holz, das von der Zeit erzählt,  
Risse ziehn sich wie Narben quer,  
Ein Schachbrett, das in Stille fehlt.  

Die Maserung, ein leises Flüstern,  
Von Jahren, die der Wind gebracht,
Ein Bild von Leben, das verwittert,  
Wo jeder Riss Geschichten macht.  

Die Wand spricht von vergangnen Tagen,  
Von Träumen, die im Staub verwehn,  
Ein Muster, das die Ordnung bricht,  
Wo Chaos und Struktur bestehn.  

Hier ruht das Alte, das Vergangne,  
Im Wandel, der beständig ist,  
Ein stilles Zeugnis, das ermahnet,
Dass selbst der Bruch die Form umschließt.“

WAS NUN?SPIELMACHER SEIN UND BLEIBEN!

  • Es wird deutlich, dass die KI eine Reihe von durchaus wesentlichen Arbeitsmaterialien geliefert hat. Binnen kürzester Zeit.
  • Und dass ich darüber entscheiden muss, was ich inhaltlich und auch formal für meine Arbeit nutzen kann – und will.
  • Und das ich mit meinen Anforderungen und Fragen letztlich der Spielmacher sein und bleiben möchte… Jedenfalls bilde ich mir das ein…
  • Voraussetzung dafür ist jedoch, dass ich über grundlegende Kenntnisse zum Kunst/Museumsbereich sowie zu – in diesem Fall – besonderen Bedarfen von Menschen habe, die ich mit diesem Kunstwerk ansprechen möchte. (Um von historischem und kunsthistorischem Wissen sowie weiteren Metaebenen gar nicht zu reden).

Mehr Infos zu der laufenden Ausstellung im Museum für Ostasiatische Kunst: H i e r

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SCHULUNG KÜNSTLICHE INTELLIGENZ, KUNST/VERMITTLUNG UND INKLUSION

Um die KI zu nutzen – noch dazu für eine Teilhabe-orientierte Führung in den Bereichen Demenz oder psychische Beeinträchtigungen – muss man bestimmte Inhalte figurieren, bewerten, auswählen und in eine andere Aussageform bringen.

Das WAS und das WIE wird im Frühjahr 2025 in einer Praxis-orientierten Schulung das Thema sein: H i e r

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