[Richard Serra: Die Untergegangenen und die Geretteten, 2 Teile, Cortenstahl, Kolumba]
Die Untergegangenen und die Geretteten sind mit ihrer Auschwitz-Geschichte (nach der Titel-gebenden autobiographischen Beschreibung von Primo Levi) so gewaltig, dass sie nur im Außenbereich des ‘christlichen’ Kolumba Kunstmuseums in Köln ihren Platz gefunden haben. Und doch war es eine klug gesetzte Grundsteinlegung für das gnadenlos schöne Haus von Peter Zumthor auf den Grundmauern der zerbombten Kirche St. Kolumba. Ein Haus, das damals noch nicht im Bau war.
Zwei Teile Rost, die einander Halt geben – das steht heute in der ehemaligen Sakristei, die Ruine geblieben ist. Vielleicht ausgesetzt wie Menschen in einem KZ beim Morgenappell… Die Arbeit von Richard Serra, der dieser Tage alt und hochgerühmt gestorben ist, zeigt zwei massige Teile von Cortenstahl, die zusammengefügt sind und sich auf diese Weise – vermutlich – mehr Halt geben können, als eigenständig und allein. Zumal der Untergrund mehr als brüchig erscheint – und eine Gruft mit den Gebeinen abschließt, die unter der Kirche bei archäologischen Grabungen geborgen wurden. Das heißt, diese Arbeit von Serra lastet schwer auf 2000 Jahren Menschheitsgeschichte.
Wenn ich Gruppen zum Beginn einer Führung dorthin leite, frage ich nach einem umkreisenden gemeinsamen Entdecken gewiss auch: welcher Teil des Kunstwerks steht für die Untergegangenen und welcher für die Geretteten. Also: welchen Teil würde man für sich auswählen? Und gewiss gibt es unterschiedliche Meinungen dazu, welcher der beiden Teile für die Untergegangenen der Vernichtungslager der Nazis steht und welcher für die Geretteten. – Aber dennoch bleibt die Frage: warum geben sie einander Halt?
Ob Serra diese Frage im Sinn hatte, als er das Kunstwerk zuerst für eine Ausstellung in der ehemaligen Synagoge der Landgemeinde Stommeln (im Westen von Köln) geschaffen hatte?
Serra war (für mich) wichtig, weil er mit seinen täuschend spröden Arbeiten solche Fragen zuließ – und mit der Wahl des besonderen Materials zugleich eine lebendige Schutzschicht (Cortenstahl rostet nicht nach innen sondern nach außen) über das Kunstwerk wie auch über solche Fragen legte.