Erfahrungsbericht (1): ‚Kunst für die Seele – Museum erleben‘ für psychisch erkrankte Erwachsene

‚Museum erleben – Kunst für die Seele‘ – ist ein neues Kooperationsprojekt, das Menschen mit psychischen Erkrankungen und Einschränkungen einlädt, unter Anleitung Kunst in Kölner Museen gemeinsam zu erleben und sich darüber auszutauschen. Im Vordergrund stehen dabei die Bilder und Objekte, aber es sollen auch neue Zugänge ermöglicht, Lebenserfahrungen und Erinnerungen angestoßen, Ressourcen geweckt und das sinnliche Erleben gestärkt werden. Das Projekt ist eine Kooperation der Eckhard Busch Stiftung mit dementia+art, der JCW Schule, der Köln Ring gGmbH und dem Museumsdienst der Stadt Köln.


Der einfühlsame Erfahrungsbericht von Tina Emsermann, die das Projekt von Seiten des Köln Rings mit vorbereitet hat und begleitet, ist hier zu lesen.

Psychisch krank zu sein bedeutet häufig auch allein zu sein und Probleme bei der Verrichtung alltäglicher Angelegenheiten des Lebens zu haben. Auch Isolation und soziale Ausgrenzung führen häufig zu immer wieder kehrenden Krankheitseinbrüchen. Die Problemlagen können sich in allen Lebensbereichen abzeichnen, zum Beispiel beim Wohnen, bei der Ernährung und der Aufrechterhaltung der eigenen Gesundheit, beim Zusammenleben mit anderen Menschen, bei der Arbeit und bei fehlender Strukturierung des Tages.

DIE KÖLN RING gGmbH

Wir bieten in der Köln-Ring gGmbH unterschiedliche Hilfs- und Unterstützungsangebote für psychisch erkrankte und behinderte Menschen, deswegen halten wir je nach Bedarfslage, unterschiedliche Betreuungsformen vor!

Im Sommer 2015 wurde an uns durch die Eckhard Busch Stiftung ein Angebot herangetragen, gemeinsam das Projekt ‚Kunst für die Seele – Museum erleben‘ zu gestalten. Wir haben das sofort als interessant für unsere Klienten eingestuft.

Die Frage war, lassen sich unsere Klienten und Klientinnen genauso auf ein Gespräch und eine Reise durch die Bilderwelten ein, wie es Jochen Schmauck-Langer normalerweise von Menschen mit Demenz als Teilnehmern gewöhnt war? Lassen sich unsere Klienten überhaupt auf eine geleitete Museumsführung ein und wird die Konzentration dafür reichen? Können Wahrnehmungen und sinnliche Eindrücke auch frei formuliert werden und werden sie überhaupt bereit sein, ihre Wahrnehmung mit anderen zu teilen? …

EIN ANGEBOT FÜR PSYCHISCH KRANKE MENSCHEN

Zwei Kölner Kunstmuseen durften wir bereits zusammen besuchen, das Museum Ludwig, um uns mit Picasso und einigen Expressionisten zu beschäftigen, und das Wallraf-Richartz Museum mit dem ‚Goldenen Zeitalter der Malerei‘ im Repertoire. Für die Finanzierung des Pilotprojektes, einschließlich der Eintrittsgelder und der Führung durch das Museum, steht die Eckhard Busch Stiftung, wofür wir sehr dankbar sind.

Im Vorfeld wählt unser Museumsbegleiter 4 bis 5 Kunstwerke aus, die er uns vorstellt. Die ersten Erfolgserlebnisse, für mich aus den zwei Veranstaltungen ablesbar: die Interessentenliste wächst und so mancher ließ sich „hinter dem Ofen“ hervor locken. Viele der psychisch Kranken leiden unter Antriebslosigkeit und damit einhergehend unter Einsamkeit. Umso schöner ist es, dass die Rückmeldungen der Teilnehmenden durchweg positiv sind und sich dadurch Eigeninitiative entwickelt.
Die besondere Art der Bilderbetrachtung ist nicht ermüdend, denn in der Auseinandersetzung mit dem Kunstwerk werden Gefühle, Gedanken und eben die persönliche Interpretation angeregt. Und weil es Jochen Schmauck-Langer hinbekommt, dass man nicht das Gefühl hat, etwas Falsches wahrzunehmen, fühlen sich die Teilnehmenden auch frei, ihre eigene Sicht beizutragen.

DIE BEGEGNUNG MIT KUNST UND MIT SICH SELBST IM MUSEUM

Es geht dabei nicht primär um kunsthistorische Einordnungen, wobei auch diese Fakten am Rande Erwähnung finden. Die Klienten sprudeln, wenn es darum geht, die Motive einfach nur zu beschreiben: Interessant ist die Fülle der Einschätzungen, z.B. der Gestalten auf den Bildern im Wallraf-Richartz Museum, nach Gesichtsausdruck, Haltung, Kleidung, gesellschaftlichem Stand und was sich der Maler wohl gedacht hat, es so und nicht anders zu malen. Nicht selten haben psychisch erkrankte Menschen das Gefühl andere Dinge wahrzunehmen oder sie anders zu interpretieren, als es der „normale“ Mensch tut – Doch es ist in diesem Kontext ausgesprochen erwünscht, eigene Einschätzungen und Interpretationen zum Besten zu geben. Ich bin beeindruckt von der Vielfältigkeit der Beiträge, der Wahrnehmung kleiner Details und der Art der Beschreibung.

Hier wird sehr deutlich, dass diese Interpretationen etwas mit persönlicher Wahrnehmung und individuellen Lebenserfahrungen zu tun haben. Gerade die Würdigung der individuellen Lebenserfahrungen ist für psychisch Kranke sehr wichtig, um sich als gleichwertige Menschen zu fühlen. Nicht wenige unserer betreuten Klienten haben aufgrund ihrer Erkrankung, ihr gesamtes soziales Umfeld verloren. Das Selbstbewusstsein ist dadurch oft erheblich beschädigt. Dennoch gibt es diese ureigene Person mit seinen differenzierten Wahrnehmungen, die auf diese charmant-unangestrengte Art und Weise hervorbrechen darf. Auch ansonsten sehr ruhige, ja schüchterne Menschen beginnen zu sprechen und lassen sich durch die Fragen berühren.

Persönlich angeregt zu werden, kann beflügeln! Besonders wertvoll erscheint mir der Moment, anderen zuzuhören und deren Wissen und Einschätzung oder Sichtweise zu teilen. Dadurch können Unsicherheiten direkt überwunden werden, da es kein richtig oder falsch gibt. Gleichwohl wird jeder, indem er andere Eindrücke aufnimmt, in die Lage versetzt, die eigenen zu überprüfen oder gar zu relativieren.

PERSÖNLICH ANGEREGT WERDEN BEFLÜGELT

So hat man den Eindruck eines gemeinsam entdeckten Kunstwerkes – zu dem jeder etwas in der Gesamtschau beigetragen hat. Es ist, als hätte man sich ein Stück Weltgeschehen erschlossen und sich selbst, aber auch andere besser verstanden.

Unsere Teilnehmenden sind bereichert nach Hause gefahren – nicht ohne sich bereits für das nächste Mal einen Platz zu reservieren. Die Klienten haben es geschafft, einen Weg auf sich zu nehmen, im Amtsdeutsch: „Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben“. Man war dabei! Keine Selbstverständlichkeit für viele psychisch kranke Menschen, die isoliert vor sich hin leben, verunsichert sind und oftmals unter großen Ängsten leiden.
Die Eindrücke dürfen nachhallen und bleiben in Erinnerung – ein besonderer Nachmittag, der den grauen Alltag aufhellen kann. Wir freuen uns auf weitere Veranstaltungen!

Den Flyer zu ‚Kunst für die Seele – Museum erleben‘ können Sie unten herunterladen.
Infos zu diesem Führungsformat: Jochen Schmauck-Langer
0157 – 88 34 58 81 :: info@dementia-und-art.de

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